Roman von Orhan Çelik
Aus dem Türkischen: Sabine Adatepe
Çeliks neuer Roman schildert die gesellschaftlichen Verhältnisse in einem Dorf vor dem Hintergrund von nie enden wollenden Streitigkeiten um Weideplätze zwischen Stämmen. Das Bild wird ergänzt durch die Beziehungen zwischen der Bürokratie und örtlichen Machthabern samt ihren Auswirkungen in der Politik in Ankara und nicht zuletzt durch den strukturellen Konflikt zwischen dem Rechtsverständnis des Staatssystems und der nationalen bzw. regionalen Identität. Dies alles zeigt sich symbolhaft in der Geschichte eines Dorfvorstehers, der nur seine Muttersprache Kurdisch spricht und nicht die Staatssprache Türkisch.
Bei dem »tauben Stein« handelt es sich um einen Felsbrocken mitten in der Landschaft, so wie es ihn vielerorts gibt: ein auffälliger Punkt, der oft die Grenze zweier Orte markiert, und der auch dem Stück Land um ihn oder einem Dorf in seiner Nähe den Namen gibt: »Sağırtaş«. So ist dieser Stein in Çeliks Roman ein Zankapfel zweier Dörfer, die die Weideplätze um den Stein für sich in Anspruch nehmen und einander teilweise auch blutige Kämpfe liefern.
Wenn Streit um Weideland auch in Çeliks ersten Roman, Das kleine Dorf am großen Berg, den dramatischen Höhepunkt bildete, wird er hier zum bleibenden Hintergrund des Geschehens. Somit wächst dieser Streit aber auch weit über die Grenzen der beiden streitenden Dörfer hinaus, indem er sich in einen gesamtpolitischen Zusammenhang stellt. Während im ersten Roman ein Dorf die nächste Stadt nur am Rande kennenlernt, ist es hier fest in Beziehungen verflochten, die mit der Ausbeutung durch einen Halbadvokaten in der Kreisstadt beginnt und über die Interessen der Parlamentarier in Ankara bei der Kurdenpolitik des Staates und bei dem Widerstand dagegen endet.
Auf der nach innen gekehrten Seite des Romangeschehens begegnet uns das, was das Ausgeliefertsein der Dörfler an ihre Ausbeuter lebendig und nachvollziehbar macht: eine unerbittliche Hierarchie zwischen Stamm und Individuum, Mann und Frau, eine tiefe Unwissenheit über die Welt draußen und die absolute Macht der - auch religiösen - Autorität. Viele alltägliche Begegnungen mit den Leuten dort illustrieren lebensnah und spannend, wie dieses Machtgebilde funktioniert, wie es aufrechterhalten, aber auch unterwandert und bekämpft wird. Denn diese feudale Festung beginnt zu bröckeln: Männer aus dem Dorf, die zum Arbeiten oder Studieren in Großstädten waren, kehren als unbequeme Kritiker zurück. Einige begeben sich sogar in bewaffneten Konflikt mit der Staatsmacht, die mit Härte darauf reagiert. Das Ende des Romans führt uns die Situation in der östlichen Türkei am Höhepunkt des Konflikts zwischen der nationalistisch-türkischen Staatsmacht und des politischen Widerstands seitens der Kurden. - Im dritten Band dieser Reihe, Die verlorene Geschichte, wird das Dorf nicht mehr existieren, seine evakuierten Bewohner werden ihre Existenz in Städten zu bestreiten haben.
Alle drei Romane hat Sabine Adatepe aus dem Türkischen übersetzt.
Alle drei Bände bringen Interviews mit Orhan Çelik über die Literatur in der Türkei, insbesondere über das Schreiben über die Kurden und in kurdischer Sprache. Streit am Taubstein wird ergänzt von
- »Angekommen am Fuße des Ararats«, einer Kolumne von Murat Abdullahoğlu über die türkische Strömung der Dorfliteratur und Orhan Çeliks Stellung darin, und
- »Eine Mission der Menschlichkeit am Ararat«, einem Interview von Cemal Turan mit Orhan Çelik über den literarischen Weg des Autors.
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Hardcover mit Lesebändchen, 260 Seiten
ISBN 978-3-933847-71-3
25,00 €
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