Was passierte 1967 mit diesem jungen amerikanischen Mann, der dort an der Columbia-Universität in New York unterrichtete?
Dies ist die Frage nach dem zweiten Anfang im Leben Edward Saids, der er sich in seiner Autobiographie Out of Place nicht gewidmet hat. Wie Taha Hussein in Al Ayyam schrieb auch Said in seinem
Buch über seine Kindheit.
Saids Autobiographie beginnt mit der Frage nach Ambiguität und Widersprüchen: Edward, der englische Vorname, und Said, der arabische Nachname. Husseins Autobiographie begann auch mit Ambiguität,
der von Dunkelheit und Licht. In beiden Fällen leiteten die zwei Schriftsteller von ihrer Kindheit her die Anfänge ihres simultanen Bewusstseins ab.
Während er so allein durch die Straßen wanderte, inmitten der Euphorie über Israels schnellen Sieg und die Niederlage der Araber, entdeckte der junge amerikanische Mann arabischen Ursprungs auf
einmal seine Befremdung über den Ort, an dem er lebte. Er sah die Dunkelheit um die menschlichen Werte, an die er geglaubt hatte, und er beschloss, ein Palästinenser zu werden. Er ging in den
Libanon, studierte die arabische Kultur und Sprache bei Anis Frayha. In Beirut enstand die Idee für sein wichtigstes Buch Orientalism und so ging er zurück in die Vereinigten Staaten mit zwei
Namen – so, wie er geboren wurde, und so, wie er seine Kindheit in Jerusalem und Kairo verbracht hatte.
Das Konzept der Nakba, das Constantin Zureik 1948 in seinem kleinen Buch The Meaning of the Nakba entwickelt hatte und das eine mögliche nationale Antwort auf die palästinensische Katastrophe zu
artikulieren versuchte, bekam mit Saids Arbeit neue Ausmaße. Fortan würde man es im Herzen des orientalistischen Diskurses verstehen.
Der junge Mann wurde zweimal geboren: das erste Mal in Jerusalem im Jahre 1935, das zweite Mal 1967 zwischen New York und Beirut. Zwischen diesen zwei Geburten lernte er an den kolonialen Schulen
Kairos, verbrachte Sommermonate in Dhour El Shweir im Libanon, spielte Klavier, las englische Literatur und sah den wundervollen Körper Tahiya Kariokas zittern unter den Augen ihrer Verehrer,
vollendete sein Bachelorstudium in Princeton, graduierte schließlich in Harvard, wo er Conrad entdeckte und begann, nach den Anfängen zu suchen.
Ohne sich bewusst zu sein, was er tat, verkörperte Said in seinen Arbeiten die zwei arabischen Nahdas. Er war ein Amerikaner wie die Gruppe »Rabita Kalamiya«, ein Ägypter wie die Intellektuellen
des Libanons, Syriens und Palästinas, die im Kairo des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts Zuflucht gefunden hatten, und er war ein Beiruti, so wie eine enorme Zahl arabischer Intellektueller im
Beirut der 60er und 70er Jahre.
Ein Palästinenser, Ägypter, Libanese und Amerikaner, der Englisch schrieb und Arabisch und andere Sprachen las, ein französischer Intellektueller, ein palästinensischer Kämpfer und ein New Yorker
Akademiker, der Arabisch mit libanesischem und ägyptischem und palästinensischem Akzent sprach und der, wenn er keine Worte fand, zurück ins Englische wechseln würde.
In seinem Leben und seinen Arbeiten erschuf Edward Said sein eigenes Leitbild eines amerikanischen und arabischen Intellektuellen. Ihn suchte keine Nostalgie heim wie viele andere Immigranten. Er
kam auf seine palästinensische und arabische Identität zurück um ein Zeuge zu sein, der nicht anders kann, als sich mit den Opfern zu identifizieren. Dabei schrieb er nicht auf Englisch, um ein
linguistisches Zuhause für sich selbst zu finden, sondern vielmehr um in der Tradition Conrads wach zu rütteln und zu entdecken. Er ging nicht zurück nach Palästina, um seine Wurzeln zu
entdecken, sondern um die Zukunft mit der Absicht zu entdecken, Palästina auf die Landkarte der menschlichen Qualen und Anstrengungen zu setzen.
Es war das Projekt eines Neubeginns, und er selbst schrieb in seinem Buch Beginnings, dass der Anfang nicht entdeckt oder gefunden werden kann, sondern gemacht werden muss. Das war sein Geheimnis
und der Weg eines Menschen, der Anderen die Anfänge bewusst macht und Konzepte herausfordert, um eine neue säkulare Vision der Welt zu schaffen.
Es ist einfach, Said in den Entwicklungsprozess der Geisteswissenschaften und des literarischen Kritizismus im westlichen Kulturraum einzuordnen. Wenn er auch ein Außenseiter blieb, so können wir
doch eine Linie finden, die ihn mit Lucas, Vico, Auerbach, Gramsci, Foucault und Fanon verbindet. Diese Linie gab ihm den Horizont, den er in seiner tiefreichenden Kritik von Mechanismen um Macht
und Wissen vor allem in seinen großen Arbeiten ausschöpfte: Orientalism und Culture and Imperialism und schließlich sein Meisterwerk The Representations of the Intellectual.
Die wirkliche Schwierigkeit besteht darin, seine arabische Linie zu finden. Sie besteht nicht nur wegen seiner wenigen Arbeiten in diesem Sprachraum, sondern auch angesichts des Mangels
arabischer Verweise innerhalb seiner Schriften. Es ist wahr, dass er über moderne arabische Literatur schrieb und eine wichtige intellektuelle und politische Rolle in der arabischen Kulturszene
spielte. Nichtsdestotrotz bleibt es schwierig, seinen Status innerhalb einer kulturellen Struktur zu definieren, in die er von außen eintrat.
Ich schlage vor, seine Arbeiten auf zwei Weisen zu lesen:
1. Modernismus
Zunächst kann man durch einen Vergleich von Saids Denkweise mit dem Aufkommen des arabischen Modernismus in den Arbeiten von Taha Hussein zu einem weitreichenden Verständnis Saids finden. Die
Parallelität der beiden Autoren besteht nicht, wie man zunächst vermuten könnte, in der Wirkung ihrer beiden Autobiographien, sondern vielmehr im Hinblick auf die unterschiedlichen
Herangehensweisen an den Modernismus, der die beiden Schreibenden kategorisch trennt. Hussein ging in seiner Beziehung zur europäischen Kultur weit darin, eine bewundernde und aneignende Position
zu vertreten und rationale und moderne Methoden zu nutzen, um das arabische Kulturerbe zu lesen. Obwohl er diese Herangehensweise manchmal bis zum Exzess verfolgte, wie zum Beispiel in seinem
Buch Pre-Islamic Poetry, war er doch in der Lage, eine radikale strukturelle Veränderung in der arabischen Kultur zu schaffen, weil er das Heilige und das Verbotene in Frage stellte. Auf einer
anderen Ebene übernahm Hussein den Mediterranismus als kulturellen Ansatz ohne jede kritische Position gegenüber dem Kolonialismus zu beziehen, um auf diese Weise der Vorbestimmung seiner
ägyptisch-arabischen Identität zu entkommen.
Edward Said geht über Taha Hussein hinaus, indem er dessen Sichtweisen widerspricht. Said war Teil der radikalen Tendenzen des Westens. Sein theoretisches Schaffen fand im Zentrum eines
postkolonialen Ansatzes statt, der die Beziehung von Kultur und Macht durch die Vision hinterfragte, die Idee einer nationalen Befreiung angesichts der radikal Kritik an der dominanten arabischen
Kultur in den Vordergrund zu stellen.
Die große Differenz zwischen den beiden Ansätzen lässt sich im Verhältnis zur Geschichte des Arabischen Erwachens verstehen, um hier den Begriff George Antonius' zu gebrauchen. Taha Hussein
repräsentiert dabei die aufkommende Ideologie al-Nahdas, in der das Erwachen als eine Kombination zweier Vergangenheiten verstanden wird: Das arabische Goldene Zeitalter verbindet sich mit der
modernen westlichen Kultur, um von der Gegenwart und ihren Widersprüchlichkeiten abzusehen. Dementgegen repräsentiert Said ein neues Bewusstsein, das über die Idee von Authentizität und die
Bekräftigung einer abgeschlossenen, endlichen Identität hinausgeht, weil er Ideen als Räume des Widerspruchs begreift.
2. Die Nakba und die Idee Palästinas
In seinem Buch The Question of Palestine, das leider noch immer nicht ins Arabische übersetzt wurde, führt Said Constantin Zureiks Ansatz fort und veranlasst gleichzeitig einen radikalen Bruch
mit dessen Vorstellungen. Zureik, der Nationalist, Modernist und säkulare Denker sah das arabische Gesicht der palästinensischen Nakba, prägte den Begriff und verstand ihn im Lichte eines
modernistisch revolutionären Denkens, das die arabische Elite beeinflusste und den Weg für jene Militäroperationen schuf, die das politische Leben der Araber bestimmen sollten. Said las die Nakba
von einer neuen Perspektive und verortete sie im Herzen der Weltgeschichte. The Question of Palestine ist dabei die konkrete politische Anwendung seines Buches Orientalism, bei der die Nakba in
ihrer menschlich globalen Dimension gesehen wird: eine tiefgreifende Analyse der Mechanismen der Auseinandersetzung auf ihren vielen verschiedenen Ebenen.
Said situierte die Idee Palästinas im Zentrum moderner Geschichte, als den Kampf zwischen Gegenwart und Interpretation und den notwendigen Baustein zum Verstehen des kolonialen Projekts in
Palästina und der arabischen Welt. Der Versuch, Said im modernen arabischen Kulturraum zu situieren, wird nicht abgeschlossen sein, bevor nicht auch der Einfluss Saids auf das moderne arabische
Denken, die Literatur und seine Auseinandersetzung mit dem Konzept des Intellektuellen verstanden wurden.
Man kann diesbezüglich von einer ganzen Menge Fehldeutungen sprechen, insbesondere in Bezug auf den Orientalismus, gleichwohl kann man die Spuren seines Einflusses an den Arbeiten von
Historikern, Politikanalysen und Literatur erkennen. Um diese Spuren angemessen zu untersuchen, wäre jedoch eine eigene Konferenz nötig.
In Bezug auf sein Konzept des Intellektuellen bin ich der Ansicht, dass Said in seinem kleinen Buch einen neuen Ansatz vorgestellt hat, der eine Richtschnur für den arabischen Intellektuellen im
heutigen Zerfall der Nationalbewegung sein kann. Ich möchte diesbezüglich von meinen persönlichen Erfahrungen in Beirut berichten, die aufzeigen, wie sich durch die Lektüre und Figur Saids ein
Fenster in Richtung eines Optimismus des Willens öffnen kann.
Als ich im Januar 2001 nach New York ging um dort meine akademische Laufbahn an der New York University zu beginnen, hatte ich das Gefühl, in die Stadt Edward Saids zu kommen. Er führte mich
durch die Stadt, zeigte mir, was er später den Wendepunkt nennen würde, der die Stadt von der Tradition ihrer linksintellektuellen Boheme abtrennt. Er schrieb dies in der Einleitung seines Buches
Reflections on Exile.
Ich kam aus der langen libanesisch-palästinensischen Erfahrung Beiruts. Durch die Distanz konnte ich meine Erfahrungen dort mit neuen Augen sehen. Ich schaute zurück, um den Schatten meiner Stadt
zu sehen und zu begreifen, dass das, was zwischen dem Widerstand gegen die israelische Invasion 1982 und dem Beginn eines neuen Jahrhunderts passiert war, so groß war – der Krieg und die syrische
Vormachtstellung, die dann kam. Die politische und ideologische Sprache musste verschiedene Ebenen der Transformation durchlaufen, bis zu dem Punkt, dass die Sprache insgesamt beinahe ihren Bezug
zu jeglicher Bedeutung verlor.
Zwischen 1992 und 1998 war ich Direktor des Beiruter Theaters und Herausgeber von Mulhak (das wöchentliche Beiheft von An-Nahar), dieses Amt besetze ich noch immer. Mit einigen Freunden hatte ich
die Idee, die Bedeutung von Beirut neu zu erfinden. Wir veranstalteten unter anderem eine Ehrenveranstaltung für Edward Said 1997 und eine fünfzigjährige Gedenkfeier der palästinensischen Nakba
im Jahre 1998. Wir hatten den Eindruck, in einer Art Wettrennen mit der Zeit zu stehen und dachten, dass wir mit einem eindringlichen und kritischen Ansatz unsere Beziehung zu diesem Ort neu
erfinden könnten. Dabei hatten wir nicht begriffen, dass die Niederlage der nationalen Bewegung sowohl im Libanon als auch in Palästina irreversibel war, und dass der arabische Osten eine lange
Reise durch die Dunkelheit von Tyrannei und Besatzung und ein sehr vages islamisches Projekt vor sich haben würde.
New York war für mich ein Fenster, durch das ich sah, wie tief unsere Krise als arabische Intellektuelle eigentlich war. Mit dem Wahnsinn des 11. Septembers begann ich dann, die tiefe Einsamkeit
des Drittwelt-Intellektuellen in der Unordnung der neuen Welt zu begreifen. Der Kampf um die Idee Palästinas wurde auf der einen Seite von einer neuen Generation von Kämpfern bedroht, die bereit
waren, dem orientalistischen Diskurs zu folgen und ihn bedingungslos anzunehmen. Auf der anderen Seite stand ein neues konservatives Establishment, das auf genau diesen Moment wartete, um das
koloniale Projekt hinter der Sprache eines Kampfes der Kulturen und dem Ende der Geschichte zu verstecken. Das alles ist eine riesige kulturelle Schlacht, die darauf abzielt, die humanistische
Denkweise in der Kultur zu zerstören und durch einen neuen rassistischen Diskurs zu ersetzen.
Einmal fragte ich Edward Said, ob es noch immer einen Platz für jeden gäbe. Ich bezog mich auf seinen Verweis auf Aime Caesar in seinem Buch Reflections on Exile. Said schrieb in dieser Zeit an
seiner letzten Arbeit zum Humanismus. Er war sich bewusst, wie kurz das Leben geworden war und entschied sich dennoch nicht dazu, sich seinen Schmerzen hinzugeben und den Tod zu erwarten. Obwohl
man ihm den schweren Kampf ansah, den er mit dem Krebs aufgenommen hatte, so war sein letzter Kampf dennoch nicht der gegen seinen Tod, wie man vermuten könnte, sondern der Kampf für den
humanistischen Ansatz. Es war, als könnte er die Gefahren sehen, die die Rolle des Intellektuellen in der arabischen Welt zu zerstören vermögen.
In seinem Buch The Question of Palestine stellt Said seinen wichtigsten Gedanken zur palästinensischen Tragödie vor, dass – wie später mit dem Abkommen von Oslo und dem Aufkommen der
palästinensischen Authorität entdeckt wird – der Kampf um nationale Befreiung seine Ziele nicht unter einer Bürokratie erreichen kann, die das Opfer ihrer eigenen Illusionen geworden ist.
Ich erinnere mich nicht an seine Antwort bzw. ob er überhaupt geantwortet hat. Ich wollte mit ihm mein Gefühl der Isolation des arabischen Intellektuellen in der neuen Welt diskutieren, einer
Welt mit nur einer Supermacht, doch die Zeit war knapp wie immer und die Frage verweilte bei mir.
In seinem Buch Representations of the Intellectual versuchte Said ein persönliches Porträt zu zeichnen, indem er Gramscis organischen Intellektuellen, »der aktiv in die Gesellschaft involviert
ist«, mit Bendas Kleriker kombiniert, »dessen Aktivität essentiell nicht das Verfolgen praktischer Ziele ist«. Diese Kombination stellt die ersten Charakterzüge des Intellektuellen des
zwanzigsten Jahrhunderts dar: ein Modell, das auf der Aussage Zolas »j'accuse« beruhte und seinen Höhepunkt mit Sartres universellen Intellektuellen erreichte, das dann mit Foucaults spezifischem
Intellektuellen langsam verschwand, bevor es sich ganz im globalen Markt der Modelle auflöste.
Für Said ist der Intellektuelle »an individual endowed with a faculty of representing, embodying, articulating a message, a view, an attitude, philosophy or option to, as well as for, a public.
And this place has an edge to it, and cannot be played without being someone whose place it is publicly to raise embarrassing questions, to confront orthodoxy and dogma (rather than to produce
them), to be someone who cannot easily be co-opted by governments or corporations, and his raison d’être is to represent all those people and issues that are routinely forgotten or swept under
the rug« (S. 9).
Die Synthese aus Gramsci und Benda, einem marxistischen Philosophen und einem idealistischen Denker, dessen Leitbild von Sokrates bis zu Jesus von Nazareth zu finden ist, war ein Versuch Saids,
auf einem versteckten Wege der Krise des Intellektuellen in der postmodernen Welt zu begegnen. Hauptsächlich war es jedoch der Versuch einer Konfrontation mit der Krise des
Drittwelt-Intellektuellen, der eine tiefgreifende Isolation im eigenen Land und der Welt erfährt.
Das Doppelexil des Intellektuellen in der Dritten Welt ist nicht bloß ein Resultat, das sich aus dem Status des westlichen Intellektuellen und seiner kontinuierlichen Isolation ergibt. Es hat
besondere Grundlagen:
1. Die Schwäche der Idee internationaler Solidarität. Der Preis des Zerfalls des totalitären Sowjet-Regimes und das Aufkommen eines neuen Konservatismus in der westlichen Welt ersetzten die Idee
von Internationalismus mit der Idee der Globalisierung. Der Intellektuelle der dritten Welt spürt, dass sein Grund, die Freiheit und Demokratie in seinem Land zu beschützen, zu einem Werkzeug in
den Händen des Empires wird. Entweder dies oder der Anlass an sich wird total vernachlässigt. Dabei ist der Preis für die Isolation extrem hoch, weil sie den Intellektuellen von seiner eigenen
Sprache abhält, d.h. von der Fähigkeit, komplexe Wahrheit in einer Welt zu verbreiten, die von der flachen Sprache eines Krieges zwischen Gut und Böse dominiert wird. Beispiele für diesen
schwierigen Umstand gibt es viele vom Irak bis nach Palästina. Die simple Sprache des Krieges gegen den Terror versucht, die reine Idee von Gerechtigkeit zu zerstören, und verstößt die
eigentliche Sprache an den Rand der Bedeutungslosigkeit.
2. Dieser Zusammenbruch des Bedeutsamen, der ein Gefühl der Isolation erzeugt, ist Teil einer politischen und sozialen Zersetzung innerhalb des arabischen Maschriks selbst. Er ist das Ergebnis
des Unvermögens des arabischen Regimes, sich der langen israelischen Besatzung auf der West Bank, in Gaza und auf den Golan-Höhen entgegenzustellen, gepaart mit der furchtbar repressiven Natur
des arabischen Regimes, wobei letztere ein Produkt des Militärs oder der Oligarchie ist. Die politische Zersetzung ist kein Ergebnis des aufkommenden Fundamentalismus, ganz im Gegenteil: Der
Fundamentalismus selbst geht aus der Zersetzung hervor und ist ein Instrument, das erstmals im kalten Krieg benutzt wurde, bevor es dann Partei im sogenannten Krieg der Kulturen ergriff. Die
Unentschlossenheit des arabischen Regimes, Frieden zu schaffen oder Krieg zu erklären, rief eine Art politische und moralische Stagnation hervor, mit der sich das Regime zunehmend selbst
zerstört. Angesichts dieser Zersetzung ist der Bedarf einer neuen Sprache nicht zu leugnen. Jeder Versuch jedoch, eine solche zu formulieren, sieht sich mit der berechnenden Haltung altlinker und
nationalistischer Diskurse konfrontiert, die einen Coup wie den von Aflaq anstreben und das stalinistische Konzept des »Autors und Intellektuellen als Ingenieur der menschlichen Seele«
verfolgen.
3. Die Krise des politischen Regimes spiegelt eine tiefe Krise in jenem Veränderung schaffenden Projekt wider, das vom Militär vereinnahmt und zerstört wurde. »Der Verrat der Intellektuellen«, um
Bendas Titel zu gebrauchen, trug tragische Dimensionen in der Zerstörung Beiruts mit sich, führte zum Exil irakischer Intellektueller, zum Dilemma ägyptischer Intellektueller zwischen Hinrichtung
oder Kollaboration mit dem staatlichen Apparat, zur Marginalität des palästinensischen Kritikers (hier liegt die besondere Wichtigkeit Edward Saids, der bis zum Ende eine kritische Stimme
blieb).
Den alten arabischen Intellektuellen, eingezwängt zwischen dem Einfluss Sartres und der marxistischen Ideologie, gibt es nicht mehr. Die Vorbilder Ghassan Kanafani, der 1972 von israelischer
Seite hingerichtet wurde, oder Hussein Mrouwe und Mahdi Amel, beide hingerichtet in den 80er Jahren von Fundamentalisten und dem syrischen Geheimdienst, sind verschwunden, um von den
Hinrichtungen Algeriens während des Bürgerkriegs und Beiruts während der libanesischen Intifada der Unabhängigkeit ersetzt zu werden.
Die Klarheit nationaler Auseinandersetzungen wurde ersetzt durch die Ambiguität unserer losgelösten Zeit, in der sich der organische Intellektuelle in einer unbestimmten Situation wiederfindet.
Die Beziehungen zu den populären Bewegungen sind schwammig geworden und eine neue Ära von Kulturtechnikern und NGOs versucht, diese Lücke zu füllen. Sie bleibt ohne wirklichen Erfolg, weil ihr
Versuch Teil einer globalen Herangehensweise an bestimmte Probleme bleibt, für die nur in der Politik Lösungen zu finden sind.
Edward Saids Intellektueller ist eine mögliche Antwort auf die Krise des arabischen Intellektuellen, bei der das Wort das Schwert trifft und die Schlacht im Lokalen und Globalen zugleich
stattfindet. Im Lokalen ist Saids Intellektueller in einem Kampf auf drei Ebenen engagiert:
1. Die Innovation und Produktion einer kritischen Position.
2. Der Widerstand gegen die Besatzung und der Aufbau zivilgesellschaftlicher Institutionen.
3. Die Führung der kulturellen Opposition bis zur Diktatur, sowie die Arbeit an der Wiedererschaffung einer Befreiungsbewegung außerhalb toter nationalistischer Ideologie und einem
fundamentalistischen Diskurs, der zum Teil selbst ein Widerhall des orientalistischen Diskurses ist.
Diese Ebenen können nicht erreicht werden, ohne Teil dieser Welt zu sein. Edward Said hat uns darin unterrichtet, im präsenten Dasein in der Welt kritisch zu sein und uns dadurch zu verbrüdern,
dass wir die Schranken in Richtung der Erschaffung einer mannigfaltigen Identität durchbrechen.
Raef Zureik schrieb, dass wir unfair zu Said wären, wenn wir nicht an seine Krankheit und seine Nähe zum Tod glaubten. Heute würden wir umso unfairer zu ihm sein, wenn wir an seinen Tod glaubten
und einen geschlossenen Text aus seiner Arbeit erschufen. Er sprach gewöhnlich von Wut als Mittel gegen Krebs. Seine Wut gegen Ungerechtigkeit muss die unsere werden, und sein Stift, den er gegen
das Schwert erhob, muss unsere Waffe im Kampf für menschliche Werte werden.